3.2.5.1 Erstellung individueller Fähigkeits-, Leistungs- und Interessenprofile

Begründende Verpflichtung

§ 193 Absatz 2 Nummer 1 SGB IX


Für AZAV-zugelassene IFD siehe Anhang.

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Übergeordnete Anforderungen

Zu den Aufgaben des Integrationsfachdienstes gehört es, die Fähigkeiten der zugewiesenen schwerbehinderten Menschen zu bewerten und einzuschätzen und dabei ein individuelles Fähigkeits-, Leistungs- und Interessenprofil zur Vorbereitung auf den allgemeinen Arbeitsmarkt in enger Kooperation mit den schwerbehinderten Menschen, dem Auftraggeber und der abgebenden Einrichtung der schulischen oder beruflichen Bildung oder Rehabilitation zu erarbeiten.

Die sichere Auswahl sowie die effiziente Nutzung von Profilverfahren und standardisierten Tests setzen jeweils eine intensive Schulung der Fachkraft des Integrationsfachdienstes, teilweise mit dem Erwerb einer Zertifizierung, voraus.

Bei der Durchführung der Unterstützungsleistungen berücksichtigt der Integrationsfachdienst im Besonderen die Vorgaben zur Ausführung der Leistungen nach § 17 SGB I. Gemäß Absatz 2 haben Menschen mit Hörbehinderungen und Menschen mit Sprachbehinderungen das Recht, bei der Ausführung der Leistungen mit lautsprachbegleitenden Gebärden oder über andere geeignete Kommunikationshilfen zu kommunizieren.

Die Vorgaben des Datenschutzes nach § 213 SGB IX sowie § 67 ff. SGB X sind ebenfalls zu berücksichtigen.

Der Integrationsfachdienst dokumentiert Verlauf und Ergebnis (siehe Kapitel 4.1.1 Einzelfalldokumentation).


Länderspezifische Anforderungen sind zu prüfen.

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Übergeordnete Umsetzungshilfen und mögliche Nachweisführung

Individuelle Fähigkeits-, Leistungs- und Interessenprofile bilden die Grundlage für die Planung der Förderung und der gezielten Unterstützung der schwerbehinderten Menschen. Sie dienen der Integration von Menschen mit Behinderung in die Arbeitswelt; dies verbunden mit dem Ziel der vollen Verwertung und Weiterentwicklung ihrer Fähigkeiten und Kenntnisse und der optimalen, passgenauen Platzierung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt.

Nachfolgend werden einige der am häufigsten verwendeten Profilverfahren und standardisierte Testverfahren zur Förderung der beruflichen Eingliederung schwerbehinderter Menschen vorgestellt, die durch Integrationsfachdienste im Bundesgebiet genutzt werden:

 

Karlsruher Profilverfahren zur Erfassung von psychosozialen Belastungs- und Fähigkeitspotentialen im Arbeitsleben und zur Erstellung von Anforderungs- und Leistungsprofilen:

Gemäß der Veröffentlichung des Integrationsamtes des Landeswohlfahrtsverbandes Baden wurde das Karlsruher Profilverfahren 1988/1989 zur einfachen Erfassung von psychosozialen Belastungs- und Fähigkeitspotentialen im Arbeitsleben entwickelt. In Zusammenarbeit mit den badischen Integrationsfachdiensten wurde das Profilverfahren aktualisiert und der Merkmalskatalog zur Erfassung intellektueller Anforderungs- und Fähigkeitsmerkmale erweitert.

Das Karlsruher Profilverfahren ist in erster Linie ein Arbeitsmittel zur transparenten und vergleichbaren Dokumentation von Fähigkeiten, Belastbarkeit, Anforderungen und Rahmenbedingungen sowie Wünschen und Neigungen. Es versteht sich als dialogisches Instrument und bezieht alle am Prozess Beteiligten ein.

 

MELBA (Merkmalprofile zur Eingliederung Leistungsgewandelter und Behinderter):

Das Basisinstrument MELBA der Miro GmbH befasst sich mit Schlüsselqualifikationen der kognitiven und sozialen Merkmale, der Merkmale zur Art der Arbeitsausführung, der psychomotorischen Merkmale und der Kulturtechniken/Kommunikation. Die Anforderungsprofile dokumentieren, welche dieser Soft Skills in welchem Ausmaß notwendig sind, um eine bestimmte Tätigkeit ausführen zu können. Die Fähigkeitsprofile zeigen auf, über welche dieser Schlüsselqualifikationen eine Person (zu einem bestimmten Zeitpunkt) verfügt. Es basiert auf einem 29 Abschnitte umfassenden Merkmalkatalog. Jedem der 29 Merkmale ist eine genaue Definition sowie eine Skala von fünf Punktwerten mit genauer Beschreibung dieser Einstufungsskala zugeordnet. Hieraus soll durch Aufgabenbearbeitung, Verhaltensbeobachtung, Gespräche oder die Auswertung von Fremdaussagen über einen Probanden ein Fähigkeitsprofil erstellt werden. Dies erlaubt Vergleiche, etwa im Rahmen eines gezielten Trainings der betreffenden Merkmale, oder eine Gegenüberstellung mit einem Anforderungsprofil für eine bestimmte Tätigkeit. Durch den Profilvergleich kann die Passung von Fähigkeiten und Anforderungen dargestellt und beurteilt werden.

 

MELBA SL:

Das Modul MELBA SL ermöglicht eine differenziertere Dokumentation von Fähigkeiten und Anforderungen im Bereich unterdurchschnittlicher Ausprägungen (für einen leistungsschwächeren Personenkreis, zum Beispiel Beschäftigte aus einer WfbM) und stellt damit eine Ergänzung zur Standardversion von MELBA dar. MELBA SL untergliedert für die Beurteilung der einzelnen Merkmale die MELBA-Skala im unterdurchschnittlichen Bereich (Profilwerte 1 und 2) in die vier Stufen B, C, D und E. Darüber hinaus wurde ein fünfter Skalenwert A eingeführt, der für eine nicht vorhandene Anforderung bzw. Fähigkeit steht.

 

MELBA+Mai (MELBA + Merkmale aus IMBA):

MELBA+Mai ist ein Modul des Instruments MELBA und ermöglicht – als Ergänzung zu MELBA – die Dokumentation der körperlichen Fähigkeiten eines Menschen bzw. Anforderungen einer Tätigkeit. Dafür stellt MELBA+Mai Fähigkeits- und Anforderungsprofile mit je 25 Merkmalen aus den Bereichen Information, Körperhaltung, Körperfortbewegung und Körperteilbewegung zur Verfügung. Mit diesen 25 Merkmalen greift MELBA+Mai die körperlichen Merkmale des mit MELBA kompatiblen Dokumentationssystems IMBA auf und integriert sie in die Verfahrenslogik von MELBA.

 

IDA (Instrumentarium zur Diagnostik von Arbeitsfähigkeiten):

IDA ist ein Set aus insgesamt 14 standardisierten Arbeitsproben. Dazu gehören neben verschiedenen „Papier- und Bleistift“-Verfahren auch eine Reihe eher manueller Aufgaben.

IDA wurde mit Unterstützung des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe, Hauptfürsorgestelle, von einer Arbeitsgruppe unter der Verantwortung von Prof. Dr. S. Weinmann an der Universität Siegen entwickelt und erprobt.

IDA ist ein diagnostisches Modul, das auf das Dokumentationsinstrument MELBA abgestimmt ist: Mit IDA können diejenigen arbeitsrelevanten Schlüsselqualifikationen erhoben und beurteilt werden, die mit Hilfe des Verfahrens MELBA dokumentiert werden können.

 

WTB (Werdenfelser Testbatterie zur Messung kognitiv-intellektueller Fähigkeiten bei Menschen mit Behinderungen):

Die WTB wurde in Kooperation zwischen den Werdenfelser Werkstätten und der Forschungs- & Entwicklungsstelle für Sozioinformatik-Systeme (FESS) am Department Psychologie der Ludwig-Maximilians-Universität München entwickelt (Prof. Dr. F. Peterander). Mit ihr liegt ein quantitatives Testverfahren vor, mit dessen Hilfe differenzierte Aussagen über kognitiv-intellektuelle Fähigkeiten von Menschen mit Behinderungen möglich sind. Außerdem kann die WTB wichtige Hinweise für eine individuelle Beziehungsgestaltung und das Vermeiden von Unter- bzw. Überforderungen liefern und für eine optimale intellektuell-kognitive Förderung genutzt werden.

 

hamet 3:

Der hamet 3 ist ein handlungsorientiertes Testverfahren zur Erfassung und Förderung beruflicher Kompetenzen junger Menschen mit erhöhtem Förderbedarf.

Mit hamet 3 (einer Weiterentwicklung von hamet 2) werden pro Faktor drei gleichwertige Aufgaben zur Verfügung gestellt, von denen je nach individuellem Bedarf des Teilnehmers und den jeweiligen Rahmenbedingungen mind. 2 Aufgaben ausgewählt werden. Es gibt im Vergleich zu hamet 2 neue, überarbeitete und bewährte Aufgaben.

Die Auswertung erfolgt Software-gestützt und bietet eine ICF-orientierte und vereinfachte Erstellung eines Beobachtungsprotokolls.

 

hamet e (Handwerklich motorischer Eignungstest elementar):

Der hamet e ist ein handlungsorientiertes Testverfahren zur Erfassung und Förderung elementarer handwerklich motorischer Kompetenzen von Menschen mit erhöhtem Förderbedarf, beispielsweise in Werkstätten für Menschen mit Behinderungen. Als eigenständiges Testverfahren ergänzt hamet e die Verfahren hamet 2 und hamet 3 in der Differenzierung des unteren Leistungsbereichs.

Bitte beachten: Materialien für hamet e sind nur noch für Bestandskunden bis September 2022 erhältlich.

 

hamet e+ (eine Weiterentwicklung und Modernisierung von hamet e):

hamet e+ unterliegt wie hamet e einem Stufenkonzept. Der Grundgedanke besteht darin, die Anforderungen, der den einzelnen Faktoren zugeordneten Aufgaben des hamet 3, in Stufen zu verringern. Dabei entspricht die Stufe 4 den Eingangsvoraussetzungen für den Berufsbildungsbereich (WfbM), Stufe 0 entspricht der jeweils zugeordneten hamet 3-Aufgabe. Diese Konstruktion erlaubt es, die besonderen Belange kognitiv beeinträchtigter Menschen zu berücksichtigen.

 

Mini-ICF-APP:
(Mini-ICF-Rating für Aktivitäts- und Partizipationsbeeinträchtigungen bei psychischen Erkrankungen)

Das Mini-ICF-APP ist ein Kurzinstrument zur Fremdbeurteilung von Aktivitäts- und Partizipationsstörungen bei psychischen Erkrankungen in Anlehnung an die internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (ICF) der Weltgesundheitsorganisation.

Mit dem Mini-ICF-APP soll eingeschätzt werden, in welchem Ausmaß ein Klient in der Durchführung von Aktivitäten, das heißt seinen Fähigkeiten beeinträchtigt ist. Es werden die folgenden Fähigkeiten beurteilt: Fähigkeit zur Anpassung an Regeln und Routinen, Fähigkeit zur Planung und Strukturierung von Aufgaben, Flexibilität und Umstellungsfähigkeit, Kompetenz- und Wissensanwendung, Entscheidungs- und Urteilsfähigkeit, Proaktivität und Spontanaktivitäten, Widerstands- und Durchhaltefähigkeit, Selbstbehauptungsfähigkeit, Konversation und Kontaktfähigkeit zu Dritten, Gruppenfähigkeit, Fähigkeit zu engen dyadischen Beziehungen, Fähigkeit zur Selbstpflege und Selbstversorgung, Mobilität und Verkehrsfähigkeit.

Der Einsatz der oben genannten Verfahren kann eine sehr sinnvolle Unterstützung bei der Bearbeitung von Fragestellungen, die für die berufliche Eingliederung relevant sind, darstellen. Die Verfahren tragen so auch zur Qualitätssicherung bei.


  • Übergeordnete Umsetzungshilfen und Hinweise zur Nachweisführung sind nicht vorhanden.